Vor zwei Wochen war ich bei einer mütterlichen Freundin zum Fest ihres halbrunden Geburtstags eingeladen. Gudrun (Name wurde geändert) ist nun im 65. Lebensjahr und „erfreut“ sich heftigster Wechseljahrsbeschwerden.
Die letzten Jahrzehnte ihres Berufslebens war sie als Schulleiterein tätig und hat diesen Job sehr begeistert und engagiert gemacht – soweit ich das als Außenstehende beurteilen kann.
Als mit Ende 40 ihre ersten Wechseljahrsbeschwerden auftauchten, entschied sie sich für eine Hormontherapie. Sie wollte weiterhin leistungsfähig bleiben, wie sie sagte. All die Jahre hindurch nahm sie diese Hormone und fühlte sich sehr gut damit. Ich habe sie immer bewundert für ihre Agilität. Keine der befürchteten und vermuteten Nebenwirkungen waren bei ihr aufgetreten. Auch ihre körperlichen Formen blieben immer die gleichen. Während meine allmählich aus dem Ruder geraten – dem ist nur mit eiserner Disziplin im Sport und in der Ernährung beizukommen -, ist Gudrun schlank wie eine Gerte.
Auf ihrem Geburtstagsfest sah ich sie plötzlich in einer Ecke stehen und sich die Stirn mit einem Taschentuch abtupfen. Ich eilte zu ihr hin und fragte sie, ob ihr nicht wohl sei.
„Alles gut“ versicherte sie mir. „Es sind nur die Wechseljahre.“ Ein mädchenhaftes Kichern rutschte aus ihr heraus, das nahe an der Grenze zur Hysterie klang. Ich war sehr erschrocken über ihre Aussage und riet ihr, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen. „Als ob ich das nicht schon getan hätte. Das ist die Rache dafür, dass ich zwanzig Jahre lang Hormone genommen habe. Der Arzt sagte mir, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass sich die Wechseljahre durch die Hormontherapie nach hinten verschieben.“ Und wieder tupfte sie sich Stirn und Hals.
Ich hielt ihr mein Glas mit kaltem Orangensaft hin und gierig trank sie es aus. Sie fächelte sich noch einmal Luft zu. Die Wallung schien abzuebben. Dann gab sie mir mein Glas zurück und stürzte sich zurück ins Getümmel.
Ich stand noch eine Weile in der Ecke und schaute aus dem Fenster hinaus in den akkurat angelegten Blumengarten des Restaurants. Ich muss gestehen, dass ich gerade kurz davor war, mir einen Termin bei meiner Gynäkologin zu holen, um mit ihr über eine sanfte Hormontherapie zu sprechen. Aber nach diesem Erlebnis mit Gudrun werde ich erst einmal Abstand von dieser Idee nehmen.
Unser Körper ist doch sicher nicht dafür angelegt, sich im hohen Alter noch mit klimakterischen Beschwerden herumzuschlagen.
Also … ich weiß nicht.
Anette Schwohl