Zunächst einmal zum Titel „Notizen aus dem Klimakterium“: Klimakterium klingt wie Mesozoikum, wie Orosirium oder Mesoarchaikum, wie eine jener erdzeitalterlichen Phasen, die sich jeweils über etliche Millionen Jahre ausdehnten.
Und genauso lange dauert – gefühlt – das Klimakterium, die Wechseljahre, Menopause (das Wort „Menopause“ werde ich nicht verwenden, ist dieser Zustand doch in keinster Weise eine Pause, so aktiv wie der Körper in dieser Phase ist; wenn überhaupt ist es ein Übergang) lauter Worte, für die es im Thesaurus keine Synonyme gibt. Schauen Sie gerne einmal nach.
Ist das Klimakterium immer noch ein Tabu? Ich mag es kaum glauben, sind doch alle Frauen irgendwann einmal davon betroffen. Jede – in Versalien: JEDE – Frau erwischt es. Und es erwischt sie meistens ganz und gar unvorbereitet.
Die Symptome sind so vielfältig wie die Frauen selbst, keins gleicht dem anderen. Auf die Mischung kommt es an. Und wenn frau die Wahrscheinlichkeitsrechnung zugrunde legt, geht die Wahrscheinlichkeit gegen Null, dass zwei Frauen die gleichen Anzeichen in gleicher Kombination haben.
Seit Jahren lasse ich den unterschiedlichsten Symptomen in meinem Körper freien Lauf (ich weigere mich noch immer beharrlich, Hormone zu nehmen, obwohl … ich war so manches Mal kurz davor). Ich tausche mich rege und lustig mit anderen Frauen darüber aus und merke, wie dankbar die Damen sind, dieses Tabu zu brechen und alles einmal ungezwungen auszusprechen; und zwar in all seinen unappetitlichen, brüllend komischen und launischen Facetten.
Meine Wahrnehmung von meinen Wechseljahren ist die, dass ich in zwei Paralleluniversen existiere. In dem einen lebe ich, wenn ich keine Wallungen irgendeiner Art habe, in dem führe ich ein sozusagen normales Leben.
Doch dann, ganz unvermittelt geschieht es; da kommt es über mich, das Paralleluniversum und zwar in „Warp“-Geschwindigkeit; in Situationen, in denen ich es überhaupt nicht gebrauchen kann: beim Essen mit Freunden, bei Meetings, im Kino, auf der Straße, im Auto, beim Schlafen des Nachts … Dann verabschiede ich mich wie ferngesteuert von meiner Umgebungswahrnehmung und bin nur noch Körper, nur noch Schweiß, nur noch traurig, muss UNBEDINGT meine Schubladen aufräumen, oder bin empfindlich wie eine Diva. Ich bin dann überhaupt nicht mehr in der Lage, auf meine Umgebung einzugehen. Mein Blick entgleitet und meine Konzentration schwindet dahin; das muss für mein Gegenüber kolossal irritierend sein.
In der letzten Woche sollte ich einem Abiturjahrgang etwas über das Kreative Schreiben erzählen. Eine Horde junger, interessierter Menschen – sie bekamen für diese Unterrichtseinheit keine Zensuren – saß mir gegenüber und lauschte gespannt, was ich schlaues zum Thema „Dramaturgie in Short Stories“ zu sagen hatte. Plötzlich öffnete sich jede meiner Poren und ließ Schweiß heraus strömen. Mein Saurierhirn signalisierte mir sofort: FLUCHT! Schweiß bedeutet Angst. Also ist die erste Reaktion des limbischen Gehirns – der medizinische Ausdruck für „Saurierhirn“ -, den Körper die Flucht ergreifen zu lassen.
Stattdessen bückte ich mich zu meiner Tasche, kramte ein Taschentuch heraus, schnäuzte mich und tupfte mir anschließend Stirn und Oberlippe ab. Mittlerweile bin in Meisterin in Übersprungshandlungen geworden.
Die Schüler schienen nichts bemerkt zu haben von meinen panischen Gedanken und meinem glänzenden Gesicht. Um die Zeit zu überbrücken, stellte ihnen eine praktische Schreibaufgabe. Währenddessen stellte ich mir vor, ich säße an einem windigen Herbsttag splitternacktnackt am Strand.
Allmählich schlossen sich meine Poren wieder und ich konnte zurückkehren in den realen Kosmos.
Anette Schwohl
Sehr stark, Deine Offenheit, Deine direkte Sprache. Kompliment !
Liebe Anette, wichtiges Thema und eine tolle Idee, Erfahrungen zu teilen, Tipps zu geben (an einem windigen Herbsttag nackt an der Beach – brrr! Wer könnte dann noch weiter schwitzen?!) und sich gut zu unterhalten.
Meine Erinnerungen daran sind bereits in ziemlich weite Ferne gerückt. Am Lebendigsten erinnere ich mich an die von dir beschriebenen überfallartigen Schwitzepisoden und sich pubertär anfühlenden Stimmungswechsel. Es ist, wie du sagst, eine Übergangszeit – glücklicherweise.
Ich bin auf weitere Texte gespannt,
herzlichst, Christine
Sehr gut, dass sich jemand traut, offen darüber zu reden… Ich habe DAS hinter mir und erinnere mich gut, aber was folgt, ist auch nicht immer komisch: Man altert, was sich nicht nur in Falten und grauen Haaren, sondern auch in Leistungsschwächen äußert – früher (noch gar nicht so lange her) konnte man 5 Einkaufstüten vom Supermarkt nach Hause schleppen, heute bricht man mit 2 vollen Tüten fast zusammen und leidet unter Atemnot. Oder man schafft mit dem vollen Koffer die Treppe vom Bahnsteig runter nicht mehr, wenn die Rolltreppe kaputt ist (passierte mir letzte Woche) und ist beschämt/dankbar über Hilfsangebote junger Frauen oder Türken (deutsche junge Männer sehen so was nicht, weil mit Smartphone beschäftigt).
In jedem Fall: Bloggen Sie weiter – Sie geben vielen Frauen Trost!