Es ist eine Zeit, in der ich viel nachdenke. Der zweite Todestag der Mama war gerade und ich habe das Gefühl, immer noch viel Trauer mit mir herum zu tragen. Das kulminiert natürlich heftig mit den Wechseljahren. Zu der Trauer gesellt sich eben noch das Schwitzen und all die anderen körperlichen und seelischen Symptome.
Eigentlich verstand ich die tiefe Trauer, die ich immer noch empfinde, gar nicht so wirklich, bis ich vor ein paar Tagen auf einer Autofahrt das Lied von Bob Seeger „Against the wind“ hörte. Nach den ersten Takten sang ich lauthals mit – allein im Auto macht das besonders viel Spaß. Doch dann begann der Refrain und meine Stimme versagte mir, ein Knoten bildete sich in meinem Hals.
„Against the wind |We were runnin‘ against the wind |We were young and strong, we were runnin‘ |Against the wind“.
Ich wurde von solch einem heftigen Weinkrampf geschüttelt, dass ich rechts ran fahren musste. Mir wurde schlagartig klar, dass ich nicht in erster Linie der Tod meiner Mutter bzw. meiner Eltern betrauere, sondern den Verlust meiner Jugend. Ich bin nicht mehr jung, nicht mehr stark und ich renne nicht mehr gegen den Wind. Mein Geist ist zwar noch rebellisch, aber körperlich kann ich das immer weniger ausdrücken. Das macht mir echt zu schaffen. Ich beschäftige mich ja schon geraume Zeit mit dem Thema „Jugendlichkeit – Alter“, aber eher auf einer abstrakten, theoretischen Ebene. Aber nun fuhr es so gnadenlos in mich hinein wie ein Blitz. Es wurde plötzlich konkret erfahrbar: Es gibt keinen Weg zurück. Und genau das machte mich so traurig.
Ich weiß zwar immer noch nicht, in welche Richtung sich mein Leben entwickeln wird, aber ich habe das Gefühl, durch diese Erkenntnis dem Weg ein Stück näher gekommen zu sein. In all dieser Trauer scheint eine Klarheit hindurch, die sich irgendwann wie ein Kristall zu erkennen geben wird. Da bin ich mir ganz sicher.
Neulich fand ich einen Spruch von Bettina von Arnim, in dem ich mich gut wiederfinden kann:
„Wer sich nach Licht sehnt, | ist nicht lichtlos. | Denn die Sehnsucht | ist schon Licht.“